Auszug/Zitat/Quelle

Lenin über die Kaderpartei


aus: »Was tun?« (1902)

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W. I. LENIN

[Die Kaderpartei]

Und nur das gröbste Mißverstehen des Marxismus […] konnte zu der Ansicht führen, daß die Entstehung einer spontanen proletarischen Massenbewegung uns der Pflicht enthebe, eine ebenso gute, ja noch unvergleichlich bessere Organisation von Revolutionären zu schaffen, als die Semlja i Wolja sie hatte. Im Gegenteil, diese Pflicht wird uns gerade durch diese Bewegung auferlegt, denn der spontane Kampf des Proletariats wird nicht zu einem wirklichen »Klassenkampf« werden, solange dieser Kampf nicht von einer starken Organisation der Revolutionäre geleitet wird.

Deckt sich für einen Sozialdemokraten der Begriff des politischen Kampfes mit dem Begriff des »ökonomischen Kampfes gegen die Unternehmer und gegen die Regierung«, so ist natürlich zu erwarten, daß der Begriff »Organisation der Revolutionäre« sich für ihn mehr oder weniger mit dem Begriff »Organisation der Arbeiter« decken wird. Und das geschieht tatsächlich, so daß wir buchstäblich verschiedene Sprachen sprechen, wenn wir über Organisation reden. […] Worin bestand der Ursprung unserer Meinungsverschiedenheiten? Nun, gerade darin, daß die Ökonomisten sowohl bei den organisatorischen als auch bei den politischen Aufgaben ständig vom Sozialdemokratismus in Trade-Unionismus abgleiten. Der politische Kampf der Sozialdemokratie ist viel umfassender und komplizierter als der ökonomische Kampf der Arbeiter gegen die Unternehmer und die Regierung. Genau so (und infolgedessen) muß die Organisation der revolutionären sozialdemokratischen Partei unvermeidlich anderer Art sein als die Organisation der Arbeiter für diesen Kampf. Die Organisation der Arbeiter muß erstens eine gewerkschaftliche sein; zweitens muß sie möglichst umfassend sein; drittens muß sie möglichst wenig konspirativ sein (ich spreche natürlich hier und weiter unten nur vom autokratischen Rußland). Die Organisation der Revolutionäre dagegen muß vor allem und hauptsächlich Leute erfassen, deren Beruf die revolutionäre Tätigkeit ist (darum spreche ich auch von der Organisation der Revolutionäre, wobei ich die revolutionären Sozialdemokraten im Auge habe). Hinter dieses allgemeine Merkmal der Mitglieder einer solchen Organisation muß jeder Unterschied zwischen Arbeitern und Intellektuellen völlig zurücktreten, von den beruflichen Unterschieden der einen wie der anderen ganz zu schweigen. Diese Organisation muß notwendigerweise nicht sehr umfassend und möglichst konspirativ sein. […]

Nun behaupte ich: 1. Keine einzige revolutionäre Bewegung kann ohne eine stabile und die Kontinuität wahrende Führerorganisation Bestand haben; 2. je breiter die Masse ist, die spontan in den Kampf hineingezogen wird, die die Grundlage der Bewegung bildet und an ihr teilnimmt, um so dringender ist die Notwendigkeit einer solchen Organisation und um so fester muß diese Organisation sein (denn um so leichter wird es für allerhand Demagogen sein, die unentwickelten Schichten der Masse mitzureißen; 3. eine solche Organisation muß hauptsächlich aus Leuten bestehen, die sich berufsmäßig mit revolutionärer Tätigkeit befassen; 4. je mehr wir die Mitgliedschaft einer solchen Organisation einengen, und zwar so weit, daß sich an der Organisation nur diejenigen Mitglieder beteiligen, die sich berufsmäßig mit revolutionärer Tätigkeit befassen und in der Kunst des Kampfes gegen die politische Polizei berufsmäßig geschult sind, um so schwieriger wird es in einem autokratischen Lande sein, eine solche Organisation »zu schnappen«, und 5. um so breiter wird der Kreis der Personen aus der Arbeiterklasse wie aus den übrigen Gesellschaftsklassen sein, die die Möglichkeit haben werden, an der Bewegung teilzunehmen und sich in ihr aktiv zu betätigen.

zitiert nach: Tenbrock (Hg.), Zeiten und Menschen. Hannover 1970

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